In einem Interview mit dem Radiosender Europe 1 besteht der neue EU-Kommissar, ehemaliger Chef einer Reihe von Großunternehmen, darauf, dass die Reformen, die die europäische Exekutive für notwendig hält, durchgeführt werden.
Am Montag, dem 9. Dezember, hatte der Radiosender Europe 1 die schöne Idee, den neu ernannten EU-Kommissar für Binnenmarkt, Industriepolitik, digitale Technologien und einige andere Arbeitsbereiche einzuladen.
Thierry Breton sollte den Standpunkt Brüssels zu der von der französischen Regierung geplanten Rentenreform darlegen. Voller Angst warteten wir auf das Urteil. Die Spannung war gross.
Von den ersten Worten des Kommissars an muss der Herr des Elysée – der Breton für das Amt in Brüssel vorgeschlagen hatte – jedoch einen tiefen Seufzer der Erleichterung getan haben: Von dem Mann, der noch vor wenigen Wochen der Chef des großen IT-Dienstleistungsunternehmens Atos war, nachdem er Bull, Thomson und dann France Télécom geleitet hatte, ganz zu schweigen von seinem Umweg über das französische Finanzministerium, kam für die Streikenden keine Unterstützung.
« Man hofft, dass man die Mittel finden wird, um diese Reform zu Ende zu bringen » – Thierry Breton
Im Gegenteil: « Ich denke an alle, die heute Morgen in Schwierigkeiten sind » (i.e. in den Verkehrsmitteln festsitzen), sagte er. Mit diesem erhabenen Satz wollte sicher Herr Breton von Brüssel aus sein Mitgefühl mit den Leiden seines eigenen Volkes zeigen… Er fügte hinzu: « Man hofft, dass man die Mittel finden wird, um diese Reform zu Ende zu bringen« .
Das erste « man » bezieht sich eindeutig auf die Europäische Kommission, das zweite auf die französischen Behörden, von denen « man » erwartet, dass sie den bösen Streikenden nicht nachgeben.
Und Thierry Breton bekräftigte dies noch: « Die Europäische Kommission hält es für notwendig, dass alle Reformen, die notwendig sind, insbesondere diese, auf dem gesamten Kontinent durchgeführt werden« . Dem gerade erst bestellten Kommissar wird man nicht die Schuld für den feinen Pleonasmus geben (« die Kommission hält alle Reformen, die notwendig sind, für notwendig »), denn das Wesentliche ist klar: In Brüssel wollen wir nichts von den « Strukturreformen » aufgeben. Und vor allem nicht den Druck auf die Hauptstädte, von denen erwartet wird, dass sie nicht nachgeben.
NRP
Selbst in einem Büro, das noch nach frischer Farbe riecht (davon kann man ausgehen), hat es nicht lange gedauert, bis sich der neue Kommissar mit allen EU-Maßnahmen vertraut gemacht hat, die den Mitgliedstaaten, insbesondere denjenigen der Eurozone, bei der zu verfolgenden Wirtschaftspolitik Orientierung geben. So heißt es im Nationalen Reformprogramm (NRP), das die jährlichen Verpflichtungen von Paris (wie von jeder Hauptstadt) gegenüber der Europäischen Union zusammenfasst, und deren letzte Ausgabe im April 2019 in Brüssel vorgelegt wurde: « Der Zugang zur Beschäftigung und die Neubewertung der Arbeit sind eine Priorität, daher muss der Arbeitsmarkt reformiert, die Lohnnebenkosten gesenkt und die Arbeitslosen- und Rentenversicherungssysteme modernisiert werden« . Alles klar…
Im angelsächsischen Kauderwelsch, ins Französische übertragen, nennt man das eine ‚Roadmap’. Und die französischen Behörden sind betriebsbereit – zumindest will Herr Breton das glauben: Emmanuel Macron wird « von Brüssel aus als jemand gesehen, der begonnen hat, das Land gründlich zu reformieren« ; und genießt « viel Vertrauen » innerhalb der europäischen Exekutive.
Er wird es wahrscheinlich brauchen.