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Totalversagen des „Wertewestens“ in Syrien

Diskussion im deutschen Fernsehen (ARD) bei Anne Will am Sonntag den 20. Oktober: Resignation der deutschen Außenpolitik aber Wut auf Trump

Von Rainer Rupp, früher an hoher Stelle im NATO-Hauptquartier als Agent des DDR-Auslandsnachrichtendienstes, 1993 von den BRD Gerichten verurteilt und inhaftiert, heute Experte für geostrategische Fragen.

„Erdoğans Siegeszug – schaut Europa weiter hilflos zu?“ hieß jüngst der Titel einer Diskussionsrunde im 1. Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. Normalerweise plätschern die Gespräche mit der jeweils geladenen Politprominenz nichtssagend dahin. Aber diesmal was es anders. Die Debatte was charakterisiert von einer kaum verhaltenen ohnmächtigen Wut und zugleich resignierendem Eingeständnis des historischen Totalversagens des gesamten imperialistischen Westens in Syrien. Es war, als hätten die anwesenden Politiker verstanden, dass das, was zurzeit im Nahen Osten vor sich geht, der Anfang vom Ende der westlichen Vorherrschaft ist.

„Aus Sicht der EU kommt das dicke Ende jetzt erst noch“ – Wolfgang Ischinger

Laut Wolfgang Ischinger, ehemaliger deutscher Botschafter in Washington und seit 2008 Vorsitzender der Münchner (UN)Sicherheitskonferenz haben die Europäer in den letzten 8 Jahren ohnmächtig dem Treiben anderer Staaten im Nahen Osten zugeschaut. „Wir haben uns auf die USA verlassen, in dem Glauben, die werden es schon richten. … Wir Europäer, wir Deutsche haben versucht, unsere Sicherheit in dieser Region an die Amerikaner outzusourcen. Und das nimmt anscheinend jetzt kein gutes Ende. Aus Sicht der EU kommt das dicke Ende jetzt erst noch“.

Wie aus seine nachfolgenden Einlassung hervorgeht, meinte er damit offensichtlich das gemeinsame Versagen und den Gesichtsverlust der vereinten westlichen Imperialisten im Syrienkrieg: „Ich halte es für eine der bittersten Erkenntnisse der letzten Jahre – dass wir – Die Bundesrepublik gemeinsam mit den anderen Europäern und den USA – schon 2011 und 2012 gesagt haben, Assad muss weg! Nun werden wir uns mit der Tatsache vertraut machen müssen, dass Assad im Sattel sitzt und wir an ihm nicht vorbei kommen werden. Die Realpolitik wird uns dazu zwingen, ihn anzuerkennen.“

Auf die Zwischenfrage, ob das auch wieder Assads diplomatische Anerkennung bedeutet, meinte Ischinger: „Mit der Realität zu leben, heißt, dass dieses Regime Assad, das gestützt wurde von Russland und anderen und von uns seit 8 Jahren energisch bekämpft wurde, weiter da ist. Wir werden mit dem Massenmörder weiter leben müssen.“ Jetzt sehe er überhaupt keine Mittel mehr, keine militärischen Mittel, irgendetwas zu tun“, um die Realität in Syrien noch zu ändern.

Für Sevim Dagdelen (die Linke) sind also Russland und Iran „leider die Gewinner“

Die Politikerin der Partei die Linke, Sevim Dagdelen, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen ihrer Bundestagsfraktion intervenierte an dieser Stelle mit dem Einwurf: „2011 haben die USA gesagt: Wir wollen den Einfluss von Russland und des Iran in der Region zurückdrängen und deshalb muss Assad fallen. Und die Europäer haben sich im Schlepptau der USA bewegt und gesagt, ‚Assad muss weg‘. … Jetzt sehen wir dieses Desaster. Man hat genau das erreicht, was man verhindern wollte: Russland und Iran sind die Gewinner, nicht nur militärisch, auch – leider – diplomatisch“.

Für diese Linke sind also Russland und Iran, die nicht mit Regime-Change-Absichten völkerrechtswidrig in Syrien eingefallen sind, sondern auf Bitte der Regierung dort Hilfe leisten „leider die Gewinner“. Im Umkehrschluss legt das nahe, dass sich diese linke Spitzenpolitikerin in Syrien lieber den Sieg der westlichen Unwertegemeinschaft gemeinsam mit den von der VWUG bewaffneten und finanzierten Terroristen gewünscht hätte.

Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, richtete seine vernichtende Kritik gegen Trump, Erdogan und natürlich, denen er allesamt Völkerrechtsverbrechen vor warf, Trump wegen seines US-Abzugsbefehls aus Nordost Syrien und wegen seiner Initiative für den 5 Tage Waffenstillstand zwischen den Rojava Kurden und der Türkei am 20. Oktober, Erdogan wegen seiner Invasion in die syrischen Kurdengebiete am 17. Oktober und Putin, weil er mit Erdogan in Sotschi s am 22. Oktober ein Abkommen geschlossen hat, das eine politische und friedlich Lösung des Grenzkonflikts herbeiführen könnte.

„Das von Vizepräsident Pence und von Erdogan unterschriebene Waffenstillstandsvertrag ist ein wirklicher Tiefpunkt der amerikanischen Diplomatie“ – Norbert Röttgen

Als treuer Vasall des „Tiefen US-Staates“ hielt Röttgen es allerdings für nötig, seiner Kritik an Trump erst einmal sein Glaubensbekenntnis an die US-amerikanischen Werte vorauszuschicken: Ich bin ein Transatlantiker, und ich, äh, äh bin für die USA. Ich halte sie nicht nur für unverzichtbar, … sondern auch emotional“. Nachdem er so sicher gestellt hatte, seine Freunde, die Kriegstreiber in Washington ihn nicht falsch verstehen, sagte er, dass das von Vizepräsident Pence und von Erdogan unterschriebene Waffenstillstandsvertrag nach seiner „Einschätzung ein wirklicher Tiefpunkt der amerikanischen Diplomatie ist, politisch, moralisch und völkerrechtlich“.

Röttgen fügte hinzu: „Ich muss auch sagen, das Desaströse, ja das Erbärmliche ist, dass in diesem Papier, die Sprache und das Narrativ von Erdogan komplett übernommen wird. … Ich war und bin über dieses Papier total entsetzt, weil es ein Alibi für die Türkei ist und das wird auch noch von den USA geliefert.“ (Großer Applaus des Publikums).

Sowohl Röttgen als auch Ischinger plädierten gegenüber den Zuschauern, dass der böse Trump, der mit dem US-Abzug so kaltschnäuzig die armen Kurden verraten habe und der Tür und Tor für die Türken und die Russen geöffnet habe, nicht mit den guten und vernünftigen Amerikanern in Washington zu verwechseln, mit den anständigen Amerikanern verwechselt werden dürfte, mit denen sie ständig in Kontakt stünden. (Der Tiefe Staat lässt grüßen.)

Röttgen sagte z.B. „Was man ganz sicher sagen kann, Präsident Trump hat für die Aktion des Rückzugs aus Syrien, der gegen jeden Rat erfolgt ist und für den es im Pentagon und im Außenministerium keine Unterstützung gab, keinen Rückhalt. … Deshalb sollten wir nie den Fehler machen, das Land mit dem Präsidenten zu verwechseln. Die (Amerikaner) haben ja nicht alle ihren Verstand verloren, sondern ganz im Gegenteil. Die Leute, mit denen ich alle Gespräche führe, sind ja so vernünftig“.

Immer wieder haben die Diskutanten versucht die Zuschauer emotional aufzuwühlen mit der Mär von den durch Trump verratenen Kurden, obwohl die sich doch für den Westen und für Europa gegen den IS gekämpft und sich aufgeopfert hätten. Das ist falsch. , zumal die Rojava-Kurden auch keine Engel sind.

Die Mär von den durch Trump verratenen Kurden

Erstens. Als die Kurden mit US-amerikanischer Hilfe die IS-Kopfabschneider unter Verlusten aus ihrer Heimatregion in Nordost-Syrien vertriebe haben, haben sie das nicht Europa oder den USA zuliebe getan.

Zweitens haben sie anschließend als US-Söldner (gegen Geld und Waffen) weiter gegen den IS gekämpft und sind mit amerikanischer Luftunterstützung 350 km tief in Arabisch bevölkertes Gebiet eingedrungen, um dort angeblich die syrischen Öl-Quellen vom IS zu befreien, aber tatsächlich um sie zu besetzen und selbst auszubeuten.

Drittens, die kurdischen Rojava-Milizen waren nicht nur US-Söldner, sondern auch Gehilfen der USA bei Völkerrechtsverbrechen in Syrien. Denn durch ihren Einsatz konnte das Pentagon erfolgreich verhindern, dass der rechtmäßige Besitzer der östlich vom Euphrat gelegenen Ölquellen, nämlich das syrische Volk mit seiner vorrückenden Regierungsarmee wieder Besitz von diesen wichtigen Ressourcen ergreifen konnte.

Viertens, die Kurden sind in den vom IS befreiten, arabisch-syrischen Gebieten an der Seite der Amerikaner ebenfalls als selbstherrliche Besatzer aufgetreten.

Zum Schluss auch noch eine paar Worte über die allgegenwärtige, scheinheiligen Empörung über den „völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türken in Syrien“, wodurch bereits Hunderte Menschen getötet und Hundert Tausend und mehr vertrieben worden sind.

Der völkerrechtswidrige Einmarsch der Türken ist zwar ein Fakt, aber es sind meist die falschen Leute, die jetzt am meisten wehklagen. Wo waren die Politiker und ihre Pressituierten bei dem um viele Potenzen schlimmeren, völkerrechtswidrigem und gänzlich unprovozierten US-Angriffskrieg gegen Irak, wo mwaren sie bei der europäisch initiierten Zerstörung des blühenden Libyens mit US-Beteiligung. Diese und die vielen anderen Kriege des westlichen Wertegesellschaft haben Millionen von Flüchtlingen produziert und über eine Million getöteter Zivilisten gekostet, egal ob sie durch Waffeneinsatz, Hunger oder Krankheiten zu Tode kamen. Wo war und ist die Empörung, z.B. über die Verbrechen Saudi Arabiens mit westlicher, einschließlich auch mit deutscher und französischer Waffenhilfe begeht?

https://daserste.ndr.de/annewill/archiv/Erdoans-Siegeszug-schaut-Europa-weiter-hilflos-zu,erste11476.html.

 

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