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Entsendete Arbeiter: Peugeot musste (teilweise) zurückrudern

PSA Hordain Nord

Der Fall hat zu Recht Lärm verursacht. Am 11. Juni gab die Geschäftsleitung des Automobilkonzerns PSA (Peugeot) die Ankunft von 531 polnischen Mitarbeitern im Werk Hordain (Nordfrankreich) bekannt. Es ging darum, die Nachfrage nach Nutzfahrzeugen zu bewältigen: Diese ist im Rahmen der Lockerungsmassnahmen stark angestiegen. Die Geschäftsleitung deutete auch die mögliche Ankunft von Arbeitskräften aus spanischen Standorten an.

Der Aufschrei kam unmittelbar, im Werk selbst natürlich, aber auch weit darüber hinaus: Bislang hatte PSA in solchen Fällen lokal angeworbene Zeitarbeiter eingesetzt, die mit einer Wiedereinstellung rechnen konnten. Ihnen wurde jetzt gesagt, dass sie bei Wiederaufnahme der Produktion mit einer dritten Schicht zuhause bleiben müssten, obwohl 230 von ihnen in dem Werk noch unter Vertrag, jedoch in Kurzarbeit waren.

Angesichts der wachsenden Wut und Empörung, und angesichts des Schreckgespenstes des « polnischen Klempners », der 2005 zum Sieg des Nein über den europäischen Verfassungsentwurf beigetragen hatte, legte der Wirtschaftsminister diskret dem CEO der Gruppe, Carlos Tavares, nahe, dass es klug wäre, den Rückwärtsgang einzulegen. Das hatte Erfolg: Am 13. Juni wurde erfahren, dass der Hersteller endlich seine « üblichen » Zeitarbeitskräfte in Anspruch nehmen würde und teilweise auf den Import von Arbeitskräften aus seinem Werk in Gleiwitz (Schlesien, Südpolen) verzichtete.

Zu diesem Zeitpunkt sind mehrere Bemerkungen erwähnenswert. Zunächst natürlich die Schädlichkeit der « Entsendung von Arbeitnehmern », ein Begriff, der in Brüssel zur Bezeichnung der vorübergehenden Beschäftigung von Personal aus einem anderen EU-Land verwendet wird. Diese zum Sinnbild für die EU gwordene Praxis ist so unerträglich, dass sie mehrfach geregelt wurde – aber das Prinzip bleibt: die Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union in Konkurrenz zueinander zu bringen. Es versteht sich von selbst, dass z.B. die Arbeitgeber in Frankreich auf der Suche nach « Einsparungen » vor allem Arbeitskräfte aus osteuropäischen Ländern suchen.

Offiziell muss die Entlohnung mit der von einheimischen, lokal beschäftigten Arbeitnehmern identisch sein… aber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechen denen des Herkunftslandes – ein Unterschied, der westlichen Arbeitgebern offensichtlich gefällt. Man sollte auch noch hinzufügen, dass die Bereitschaft für das Aufstellen von Forderungen nicht genau die gleiche ist, wenn man – wenn auch auf freiwilliger Basis – für einige Monate Tausende von Kilometern von seiner Heimat in ein Land versetzt wird, dessen Sprache und Arbeitskampftraditionen einem unbekannt sind.

Die Leitung von PSA behauptet ihrerseits, dass sie durch ein solches Vorgehen keine Einsparungen erzielt. Sie wollte wahrscheinlich nur den touristischen Charme des französischen Flanderns fördern…

Sie wagt es sogar, von « industrieller Solidarität » zu sprechen, da einige ihrer polnischen Mitarbeiter derzeit unterbeschäftigt seien. Dies ist ein neuerliches Kunststück der Verdrehung und sogar der Umwertung der Sprache. Der französische Präsident hatte schon einmal solche Umwertungen mit den Wörtern « fortschrittlich » und « Souveränität » versucht. Der jetzt verwendete Begriff der « Solidarität » bezieht sich normalerweise auf die gemeinsamen Kämpfe innerhalb der Arbeitswelt und wird nun zur Bezeichnung der Interessen des Kapitals benutzt.

Sobald sich die Wirtschaft verlangsamt, werden zunächst die Zeitarbeitnehmer draussen gelassen

Eine zweite Bemerkung betrifft die Praxis vor allem großer Konzerne, die Leiharbeit auszuweiten und praktisch zur Normalität werden zu lassen. Theoretisch ist dies für Fälle plötzlicher und vorübergehender Zunahme der Arbeit vorgesehen. Aber tatsächlich wird sie ständig auf ganz normale und vorhersehbare Produktionssituationen ausgeweitet. Und dies mit dem Ziel, eine « flexible » Belegschaft zu haben, deren Entlassung nichts kostet. Sobald sich die Wirtschaft verlangsamt, werden zunächst die Zeitarbeitnehmer (und die mit befristeten Verträgen) draussen gelassen. So ist es nicht notwendig, einen Sozialplan zu erstellen. Das Ganze geschieht ohne Aufsehen zu erregen.

Diese Zunahme der Prekarität ist zweifellos eine der brutalsten Ausdrucksformen des sozialen Krieges, den die Mächtigen gegen die Arbeitswelt führen. Im Fall von Hordain wäre es schwieriger gewesen, sie durch polnische Arbeiter zu ersetzen, wenn alle Arbeiter unbefristete Verträge gehabt hätten.

Viele politische Kräfte haben diese « Freizügigkeit von Personen » gelobt

Die dritte Beobachtung betrifft das eigentliche Prinzip der « Mobilität » von einem EU-Land zum anderen – eine « Mobilität », die seit langem als Vorteil angesichts der Arbeitslosigkeit angepriesen wird. Brüssel hat jahrelang nicht an Werbekampagnen gespart, indem es beispielsweise die « Chance » für einen rumänischen Arbeitnehmer hervorhob, einen Arbeitsplatz in Irland zu finden. Für junge Menschen, fügte die Kommission zynisch hinzu, sei dies eine großartige Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln. Und viele politische Kräfte haben diese « Freizügigkeit von Personen » gelobt, die untrennbar mit dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital – die von Geburt an zur Wirtschaftsgrundlage der Europäischen Union seit 1958 gehören – verbunden ist.

Tatsächlich ist es der Konzernleitung nicht verboten, eines Tages französische Mitarbeiter nach Polen oder anderswohin zu entsenden, wenn PSA aus Gründen der Dringlichkeit und Rentabilität dies für richtig halten würde. Dann wäre diese kontinentale Mobilität erreicht, die sich die Befürworter der « Vereinigten Staaten von Europa » erträumt haben, ganz nach dem Vorbild ihres Modells jenseits des Atlantiks: sich ständig von einem Ende des Kontinents zum anderen zu bewegen, je nach den « Arbeitsmöglichkeiten », die sich hier oder dort bieten.

Schließlich ist es wichtig, die Folgen für die Denkweise derjenigen zu beachten, die auf diese Weise in Konkurrenz zueinander gebracht werden. Natürlich sind die polnischen Arbeitnehmer in keiner Weise für die Strategie der Unternehmensleitung verantwortlich. Aber wie sollte man die Verzweiflung, die Erbitterung und die Wut hunderter Familien, die sich oft in unsagbaren Schwierigkeiten befinden, die mit einer Wiedereinstellung rechneten und die sehen, wie polnische Mitarbeiter « an ihnen vorbeigehen » nicht auch verstehen? Schwer zu verhindern, dass sich der Groll zuerst gegen diese wendet.

Wieder einmal wird die EU-Integration zum gegenteiligen Effekt beitragen: zu mehr Konkurrenz und Ressentiments zwischen ihnen

Das « Abenteuer Europa » sollte offiziell die Menschen einander näher bringen. Wieder einmal wird die europäische Integration zum gegenteiligen Effekt beitragen: zu mehr Konkurrenz und Ressentiments zwischen ihnen. Das „soziale Europa“ hört nicht auf, seine paradiesischen Aussichten zu offenbaren…

Am 28. Juni wird die erste Runde der polnischen Präsidentschaftswahlen stattfinden. Vielleicht könnte man vorschlagen, dass der Herr des Elysée-Palastes, der in Frankreich zum Klang der Europahymne gewählt wurde, seine Kandidatur dort erklärt. Ein Fünf-Jahres-Zeitvertrag in Warschau als entsandter Arbeiter, wäre das nicht etwas, Emmanuel?

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