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Das Vereinigte Königreich ist mit einem guten Vertrag am 1. Januar ausgetreten

Dieser Artikel wurde in der Dezember-Ausgabe von Ruptures veröffentlicht.

Diesmal ist die letzte Hürde genommen. Vor einem Jahr, am 31. Januar 2020, hatte das Vereinigte Königreich die Europäische Union zwar rechtlich und politisch verlassen, aber die im Dezember 2019 unterzeichnete Trennungsvereinbarung – nach sich noch in der Schwebe befindlichen Verhandlungen – sah eine Übergangszeit vor, in der das Land weiterhin Zugang zum EU-Binnenmarkt hatte und an dessen Regeln gebunden war, während die künftigen Beziehungen noch ausgehandelt wurden.

Die Übergangsfrist sollte am 31. Dezember 2020 enden, es sei denn, beide Parteien stimmten einer Verlängerung zu. Brüssel hatet alle Anstrengungen unternommen, um London dazu zu bewegen, einer Verschiebung des vereinbarten Termins zuzustimmen. Der britische Premierminister hatte dies bereits im Frühjahr kategorisch abgelehnt. Am Ende waren es Boris Johnsons Wagemut und Entschlossenheit, die Europäer unter Zeitdruck zu setzen, von Erfolg gekrönt: Am 24. Dezember wurde das « Handels- und Kooperationsabkommen » final unterzeichnet, nur wenige Tage vor der unwiderruflichen Frist und nach letzten Verhandlungen auf höchster Ebene.

« Es ist ein fantastisches Abkommen, das alle Versprechen erfüllt, die während der Referendums-Kampagne gemacht wurden »

Boris Johnson

« Es ist ein fantastisches Abkommen, das alle Versprechen erfüllt, die während der Referendums-Kampagne gemacht wurden, sowie auch diejenigen, die während der Wahlen im Dezember 2019 gemacht wurden », sagte der britische Regierungschef und fügte hinzu, dass das Vereinigte Königreich « die Kontrolle über seine Grenzen, Gesetze, den Handel und den maritimen Bereich » zurückgewinnt. Die Chefin der Europäischen Kommission begrüßte ihrerseits « ein faires und ausgewogenes Abkommen, das unsere Interessen als Europäer schützen (und) einen fairen Wettbewerb sicherstellen wird ». Ursula von der Leyen verkündete: « Wir können endlich den Brexit ad acta legen und in die Zukunft schauen ».

Der Chefunterhändler der Kommission, Michel Barnier, sagte seinerseits, er sei « erleichtert, aber traurig », nachdem er immer wieder verkündet hatte, das Brexit-Prinzip sei ein « Verliererspiel » für beide Seiten. Er sagte, es tue ihm leid, dass es bei den Verhandlungen zum ersten Mal nicht um die Abschaffung von Grenzen für den internationalen Handel, sondern um die Wiedereinführung von Kontrollen gehe und versuchte, seine Verbitterung zu verbergen, indem er verkündete: « Großbritannien wird jetzt allein sein, wir (die 27) bleiben zusammen.

Sein britischer Amtskollege David Frost hingegen lobte « eines der größten jemals abgeschlossenen Abkommen (…), das Waren, Dienstleistungen, Straßen- und Luftverkehr, Sicherheit, Zusammenarbeit im Gesundheitswesen… umfasst ». In der Tat ist der Handel zwar der Kern des Abkommens, aber letztlich ist es viel breiter angelegt. Es umfasst jedoch nicht, wie von den Europäern ursprünglich erhofft, verteidigungs- und außenpolitische Fragen. Beide Seiten bleiben aber frei, weitere Gespräche zu führen.

Das Abkommen ist sicherlich von historischer Bedeutung, sowohl hinsichtlich des Umfangs des erfassten Handelsvolumens – in der Größenordnung von 700 Milliarden Euro pro Jahr – als auch hinsichtlich des Zeitraums, in dem es abgeschlossen wurde. Kaum zehn Monate haben die Verhandlungen gedauert, selbst da wo rein kommerzielle, normalerweise mindestens drei oder vier Jahre dauern. Anfänglich hielt in Brüssel niemand den Zeitrahmen für realistisch.

Am 1. Januar 2021 wurde das Vereinigte Königreich somit vollständig unabhängig, wobei ein Vertrag die zukünftigen Beziehungen zu seinem ehemaligen Vormund regelt. Zu diesem Zeitpunkt trat der Vertrag vorläufig in Kraft. Die Schlussbestimmungen sehen eine Frist von zwei Monaten vor, um dem Europaparlament Zeit zur Ratifizierung zu geben. Dieses hatte sich darum bemüht, einen früheren Abschluss zu fordern, um Zeit zu haben, seine Bestimmungen zu prüfen. Für das EU-Parlament ist dies in der Tat demütigend, denn niemand kann sich vorstellen, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments jetzt eine andere Wahl hätten, als den Vertrag in Gänze zu ratifizieren. Als letzte Formalität wird der Rat der EU (die Mitgliedsstaaten) ihn gleichzeitig validieren.

Man erwartet natürlich keine Spannungen mehr, da die Botschafter der 27 EU-Staaten am 28. Dezember den von den Unterhändlern vorgelegten Text gebilligt haben. Die Unterschriften Frau von der Leyens und Herrn Johnsons bestätigten dann feierlich den « Deal ».

Die britischen Parlamentarier ihrerseits billigten das Abkommen am 30. Dezember mit 521 zu 73 Stimmen. Die Tory-Abgeordneten stimmten dafür; selbst der Vertreter der « härtesten » Brexiters gab zu, dass der Inhalt « nicht perfekt » sei, aber dass er dem Land nun erlaube, « selbst über seine Zukunft zu entscheiden ». Auch die meisten Labour-Mitglieder stimmten dem zu, jede andere Option wäre ein « No Deal », sagte Labour-Chef Keir Starmer.

Die Liberalen und nordirischen Unionisten in der DUP stimmten dagegen. Das galt auch für die schottischen Unabhängigkeitsabgeordneten der SNP. Diese Partei, die schon immer gegen den Brexit war, setzt sich nun für ein neues Referendum über die Zukunft Schottlands ein und argumentiert, dass dessen Unabhängigkeit den Weg für eine EU-Mitgliedschaft ebnen würde. Es wird erwartet, dass dieses Thema im Mittelpunkt der für Mai angesetzten Regionalwahlen stehen wird. Die fehlende Einigung wäre ein zusätzliches Argument für die SNP gewesen.

Schließlich ist es London parallel zu den Verhandlungen mit Brüssel gelungen, mehr als 60 Freihandelsabkommen zu unterzeichnen, vor allem mit Japan, Kanada, Singapur und der Türkei. Es verbleiben nur noch etwa zehn Länder, bevor London über einen so großen Freihandelsraum verfügen kann, wie es im Rahmen der EU der Fall war. Die EU hatte London jedoch verboten, mit diesen zu verhandeln, solange es noch Mitglied war. Die Regierung Ihrer Majestät hatte 700 hochrangige Diplomaten mobilisiert, um ein solches Kunststück in nur wenigen Monaten zu vollbringen.

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